Zur Teetied auf Juist: Dieter Brübach kam als junger Mann vom Festland und ist noch immer ein glücklicher Insulaner

Sechs Jahrzehnte für die Insel

Es ist ein stürmischer Vormittag auf der Insel im Wattenmeer, auf den Straßen stemmen sich die Radfahrer gegen die Böen, und Dieter Brübach steht am Fenster und schaut den Möwen zu, die sich vom Wind in die Höhe tragen lassen. Den Tisch hat er schon gedeckt: selbstgebackene Waffeln von seiner Frau, Kekse, Kandiszucker, Sahne. Nur der Tee fehlt, den holt er noch schnell aus der Küche. An die 300 Liter trinke jeder Ostfriese im Jahr, erzählt er, elfmal mehr als die übrigen Deutschen. Und ganz bestimmt lege man anderswo nicht so viel Wert auf die richtige Zubereitung.

Insulaner

Wie trinkt man den Tee denn bei Ihnen?

Man gibt ein großes Stück Kandis in die Tasse, dann gießt man den Tee auf den Zucker. Wenn man dabei ganz still ist, kann man ihn knistern hören. Na?

Ja, ich hab’s gehört.

Sehr gut. Jetzt einen kleinen Löffel Sahne, und von dem einzelne Tropfen fallen lassen, immer am Rand der Tasse entlang. Dann bilden sich diese kleinen, hellen Formen im Tee, die sehen fast wie Wolken aus. Ich mache das mal für Sie, so, sehen Sie? Und nicht umrühren!

Sehr hübsch. Das ist ja ein richtiges Zeremoniell!

Ja, das haben wir perfektioniert. Sie werden sehen – jeder Schluck schmeckt ein bisschen anders, mal mehr nach Sahne, mal mehr nach Zucker. Wenn wir auf der Insel zusammen sitzen, gibt es immer Tee. Der gehört einfach dazu. Ich lebe seit sechzig Jahren auf Juist. Wir haben das nie anders gemacht.

Sechs Jahrzehnte! Hat sich das Leben auf der Insel in dieser Zeit sehr verändert?

Ganz bestimmt hat es das. Früher waren die Insulaner im Winter unter sich, es waren immer nur ein paar Stammgäste auf der Insel. Die sind dann irgendwann nicht mehr gekommen, weil es ihnen zu turbulent wurde – das hat sich erst allmählich und dann ziemlich zügig geändert.

Und jetzt geht die Saison bei Ihnen doch bestimmt fast über das ganze Jahr, oder?

Ja, das kann man so sagen. Über Weihnachten und Silvester reisen viele Gäste an, und an Wochenenden ist sowieso immer viel los. Dann kommt der Frühling, der kann wunderschön sein auf Juist. Die Sommersaison geht mittlerweile bis weit in den Herbst hinein, über Allerheiligen ist auch einiges los, und dann ist fast schon wieder Weihnachten. Wirklich ruhig ist es nur noch in den Adventswochen. Dann haben wir ein bisschen Zeit für uns. Die genießen wir dann auch.

Haben Sie das Gefühl, dass zu viele Urlauber nach Juist kommen?

Nein, das nicht. Das ist alles absolut im Rahmen. Man hat ja schon früh darauf geachtet, dass es nicht überhand nimmt. Wir haben ja auch nicht viel Platz auf unserer schmalen Insel. Und ein großer Teil gehört ja zum Nationalpark, da ist ja auch alles geschützt. Und weil die meisten Urlauber in Ferienwohnungen unterkommen, hat sich die Zahl auch gar nicht so verändert. Früher hatte eine Pension vielleicht acht Gästezimmer. Heute ist das Haus wahrscheinlich eine Ferienwohnung, in der eine vierköpfige Familie Urlaub macht.

Bis Ende der Neunziger Jahre betrieb Dieter Brübach mit seiner Frau ein Café auf Juist. Zusammen mit einem Freund hat er anschließend das Juister Musikfestival gegründet, das bis heute existiert und über das Himmelfahrtswochenende Musikfreunde auf die Insel lockt. 2006 gehörte er zu den Initiatoren der Juist Stiftung, einer Bürgerstiftung, deren Ehrenvorsitzender er bis heute ist.

Was macht die Bürgerstiftung denn?

Wir versuchen mit unterschiedlichen Projekten, das Leben auf der Insel zu bereichern. Wir haben zum Beispiel einen Fitness-Parcours und Boule-Plätze angelegt und das alte Leuchtturm-Lampenhaus restauriert, das früher auf der Vogelinsel Memmert stand. Wir fördern das Küstenmuseum und einige Naturschutzprojekte. Und wenn die Inselschule was braucht, bekommt sie das auch von uns. Im Laufe der Jahre haben wir um die 400.000 Euro in die Insel investiert.

Das alles hört sich an, als hätten die Juister Ihnen einiges zu verdanken...

Ach, vieles, was die Bürgerstiftung angepackt hat, war schon ganz erfolgreich. Noch eine Tasse Tee? Drei sollte man schon trinken, das gehört sich so.

Nordseeinsel Juist