Ubbo Looden aus Greetsiel fährt seit über 40 Jahren mit dem Kutter auf die Nordsee – und versteht die Meerestiere immer noch nicht richtig

Das Geheimnis der Krabbe

Seine dunkelgrün gestrichene „Magellan“ liegt im Kutterhafen von Greetsiel in zweiter Reihe, aber Ubbo Looden weiß natürlich, wo er hintreten und welches Tau er greifen muss, um sicher über ein anderes Schiff hinweg an Bord zu kommen. „Ich habe ja wirklich lange genug Übung“, sagt er und schließt die Kajüte auf, bitteschön, hereinspaziert, drinnen sei es warm, da könne man gut reden. Und das macht er dann auch. Und nach vierzig Jahren Krabbenfischerei und kurz vor der Rente kann man natürlich einiges erzählen.

Krabbenfischer
Krabbenfischer

Schönes Schiff!

Ja, nicht? Die hab ich mir 1990 bauen lassen – und seitdem fahre ich sie. Hat mich nie im Stich gelassen. Und ist jetzt immer noch im besten Alter. Ist übrigens eines der jüngsten Schiffe hier in Greetsiel. Es gibt nur zwei, die noch später gebaut wurden, alle anderen sind älter.

Und mit der Magellan gehen Sie auf Krabbenfang, oder?

Genau. Ich weiß gar nicht, zu welcher Generation Krabbenfischer in der Familie ich gehöre. Mein Vater war Krabbenfischer, mein Großvater auch, und mein Urgroßvater ebenfalls. Und davor werden die Männer in der Familie auch nichts anderes gemacht haben. Mein Söhne sind auch Krabbenfischer geworden. Ich hoffe, die Tradition setzt sich auch in Zukunft fort!

Wie weit fahren Sie denn hinaus, um an die Krabben zu kommen?

Bis zu den Inseln. Manchmal sogar bis hinauf nach Sylt. Früher haben wir da die meiste Zeit verbracht. Oder vor Amrum. Da waren die Krabben lange Zeit besser, und es gab auch mehr. Aber das hat sich alles gewandelt. Jetzt kann man bei uns vor der ostfriesischen Küste viel besseren Fang machen.

Wie lange sind Sie unterwegs, wenn Sie auf Fang gehen?

Auch das hat sich geändert. Früher sind wir immer bei Hochwasser los, und wenn dann die Ebbe kam, das Wasser also auslief, dann sind wir mit dem raus bis zu den Inseln. Und mit der nächsten Flut ging es dann wieder zurück. Dann waren die Krabben zwölf Stunden unter sich, und bei der nächsten Tide waren wir wieder da. Das macht bei den hohen Dieselpreisen heute aber kaum noch jemand. Jetzt fahren wir meistens zweimal die Woche und bleiben zwei Tage draußen.

Und das machen Sie, seit Sie ...

... seit ich 16 war. Über vierzig Jahre mittlerweile. Reich wird man davon nicht, aber ich konnte immer davon leben. Und wissen Sie was? Ich möchte keine einzige Stunde missen. Vor allem nicht die Morgenstunden, die sind unbezahlbar. Wenn da draußen die Sonne aufgeht – es gibt nichts Schöneres auf der Welt.

Wenn Ubbo Looden von seinen Tagen und Nächten auf See erzählt, wird er beinahe philosophisch, die Stille, die Leere, der endlose Himmel. Und langweilig sei es auch nie gewesen, sagt er, er habe sich ja um alles kümmern müssen, um das Schiff, um die Netze, um die Elektrik an Bord. Und natürlich um die Krabben. Das seien faszinierende Tiere, meint er.

Krabben? Warum das denn?

Die spüren oft lange vor uns Fischern, woher der Wind weht. Beziehungsweise: Bevor Wind und Wetter sich ändern. Dabei sind die doch tief unten im Wasser! Und trotzdem merken die vor uns, wenn schlechtes Wetter im Anzug ist. Dann stehen wir oben an Deck noch in der Sonne, und der Himmel ist blau, und plötzlich geht uns keine Krabbe mehr ins Netz. Dann sind die weg, in tieferes Wasser. Und eine Stunde später haben wir Schietwetter. Das ist unbegreiflich.

Wie viele Krabben fängt man denn eigentlich so als Krabbenfischer?

Das weiß man nie. Im Frühjahr am Tag vielleicht 150, 200 Kilo. Im Sommer dann 400. Und im Herbst, das ist die beste Zeit – da fängt man schon mal eine Tonne am Tag.

Ganz schön viel!

Ja, schon. Es soll aber bitte niemand behaupten, dass ein Fischer viel fangen möchte. Das ist Quatsch. Ich möchte viel verdienen, das ist klar. Aber wenn ich viel fange, fangen die anderen ja wahrscheinlich auch viel, und der Preis geht in den Keller. Dann habe ich mehr Arbeit, aber am Ende nicht mehr Geld. Ich war immer froh, wenn es nicht so viele Krabben gab. Dann kam es nämlich auf den Fischer an. Dann haben nur diejenigen was gefangen, die wussten, bei welchem Wind und bei welchem Wetter sie wo sein mussten. Da braucht man viel Erfahrung und ein gutes Bauchgefühl.

Das klingt alles, als hätten Sie und die Krabbe eine besondere Beziehung ...

Die Krabbe begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. Aber wirklich verstanden habe ich sie eigentlich nie.

Hafen Greetsiel