Timmo und Andreas Ernst stellen in ihrem Wilhelmshavener Familienbetrieb Senf her – in 25 Geschmacksrichtungen

Die Scharfmacher von der Nordseeküste

Oma Bärbel hat sich zwar offiziell zurückgezogen, präsent ist die Gründerin des Familienunternehmens aber noch immer überall. Auf Postern in den Büroräumen, sobald ihr Sohn und ihr Enkel von der Herstellung sprechen, und in Gedanken wahrscheinlich sowieso. Vor 16 Jahren hat sie die Senfmühle mit ihrem Mann gegründet. Als sie in Rente gehen und den Betrieb verkaufen wollte, riefen ihr Sohn und ihr Enkel den Familienrat ein – und beschlossen, den Betrieb weiterzuführen. Seitdem produzieren Timmo und Andreas Ernst ihren Küstensenf und verkaufen ihn in der „Senfonie“ in der Wilhelmshavener Südstadt (und online). Und wie bei allen Erfolgsgeschichten gilt auch hier: Die Leidenschaft ist wichtig. Das merkt man, sobald die beiden vom Senf zu schwärmen beginnen.

Küstensenf Wilhelmshavener Senfmanufaktur
Küstensenf Wilhelmshavener Senfmanufaktur
Küstensenf Wilhelmshavener Senfmanufaktur

Was macht Senf als Gewürz denn so besonders?

Senf ist so vielseitig. So absolut vielseitig. Die meisten Leute kennen ja nur scharf oder mittelscharf, dann vielleicht noch süßen Senf aus Bayern und – wenn es hochkommt – noch Senf mit Feigen. Das ist aber ja nur der Anfang ...

... und wie geht es weiter? Also: Welche Senfsorten gibt es denn noch?

Theoretisch? Unendlich viele! Wir haben mittlerweile 25 verschiedene Senfe im Programm. Unser Havensenf zum Beispiel – in dem sind süße Chilis und geräucherter Paprika. Der Piratensenf ist deutlich kräftiger, mit schwarzem Pfeffer und einem Schuss Rum. Und in unserem Friesensenf sind Kapern und Sardellen.

Uih! Wie kommt man denn auf solche ausgefallenen Geschmacksrichtungen?

Durch Ausprobieren. Immer wieder. Und dann nochmal. Wir nehmen uns viel, viel Zeit für die Rezepturen. Bis ein Senf am Ende dann in unserem Sortiment landet – das kann echt dauern. An unserem Biersenf zum Beispiel haben wir über ein halbes Jahr lang getüftelt. Wie wird denn Senf eigentlich hergestellt? Aus Senfkörnen, klar – aber was macht man dann mit denen? Die werden zuerst einmal gemahlen. Das machen wir mit unserer Steinmühle, sehr langsam, damit die ätherischen Öle erhalten bleiben. Da muss man in der Küche schon tapfer sein.

Tapfer? Wieso das denn?

Weil das nach kurzer Zeit derart in den Augen beißt und brennt, da ist Zwiebelschälen nix dagegen. Selbst Masken helfen da nichts, so scharf ist das – Weinen gehört bei uns zum Handwerk. Der gemahlene Senf wird dann mit Wasser, Essig und Gewürzen gemischt. Die Maische muss dann einige Zeit ruhen. Dann wird alles nochmals gemahlen.

In der Manufaktur der Ernsts wird tatsächlich das allermeiste noch per Hand gemacht – lediglich für das Etikettieren größerer Chargen haben sie mittlerweile eine Maschine, aber selbst an der steht noch immer einer der Beiden, wenn sie im Einsatz ist. Verarbeitet werden nur Senfkörner aus Niedersachsen; auch die allermeisten anderen Zutaten kommen aus der Region.

Ich habe gelesen, dass der Senfverbrauch in Deutschland sich in den vergangenen fünfzig Jahren mehr als verdoppelt hat! Und einen Trend zu handgemachten Dingen aus der Region gibt es ja außerdem auch noch ...

Ganz bestimmt. Das merken wir auch. Das Thema Nachhaltigkeit wird bei uns ja gelebt. Und natürlich ist es toll, dass bei uns die Familiengeschichte dahinter steht. Wir beide haben das von Oma gelernt, und die alten Aufzeichnungen von Opa gab es auch noch – das war unsere Basis, darauf haben wir dann aufgebaut.

Wird Senf eigentlich besser, wenn man ihn länger stehen lässt – ist das so ähnlich wie beim Rotwein?

Nein, ganz anders! Ein Senf verändert sich aber auch. Es braucht etwa eine Woche, bis er sich eingependelt hat. Dann hält er sich eine ganze Weile, verliert aber dann irgendwann an Geschmack. Man sollte ihn kühl und dunkel aufbewahren. Deswegen waren Senfgläser früher meistens aus Steingut. Wenn Senf zu warm steht, verliert er mit der Zeit deutlich an Schärfe. Und generell ist es so, dass grobkörnig gemahlene Senfe länger scharf bleiben als fein gemahlene.

Und in Zukunft? Welche Pläne habt Ihr?

Senf wird immer noch komplett unterschätzt – das wollen wir ändern! Und wer nicht nur Senf kaufen möchte, sondern auch mal zusehen möchte, wie er gemacht wird, kann gerne in unserer Manufaktur vorbeischauen.

Senf aus Wilhelmshaven