Joke Pouliart bringt Besuchern die einzigartige Landschaft an der Nordseeküste näher

Wat ist wat im Watt

Möglicherweise kennt kaum jemand an der Nordseeküste das Watt besser als er, ganz bestimmt aber kann niemand so gut über es erzählen: Einmal angetippt, und schon sprudelt es aus Joke Pouliart heraus. Dass er auf seinen Wattwanderungen Menschen für die Weltnaturerberegion begeistern kann – das kann man sofort nachvollziehen. Er liebe dieses Stück Welt eben auch, sagt er: Da, wo das Land mal mehr Land ist und mal mehr Meer.

Wattführer
Wattführer

Eine Wattwanderung ist doch bestimmt der USP der Region, oder? Also: Der unique selling point – das, was die Nordseeküste so unvergleichbar macht.

Für viele Besucher ist es die Natur ganz allgemein, die sie an die Küste zieht. Die wollen in einer Landschaft unterwegs sein, die geschützt ist. Unversehrt. Und wahrscheinlich ganz anders als das, was sie von zuhause kennen. Das Wattenmeer steht da natürlich im Mittelpunkt. Und ein Nationalpark, der auch noch zum Weltkulturerbe gehört. Und in dem wir dann unterwegs sind.

Wenn man das noch nie gemacht hat – wie muss man sich das vorstellen?

Wir bieten ganz unterschiedliche Aktivitäten im Watt an. Es gibt zum Beispiel eine Birding-Tour, da kümmern wir uns um die Vögel, die hier zuhause sind oder Zwischenstopp machen. Dann haben wir eine Wanderung, bei der es um Muscheln geht. Oder wir wandern zu einer Insel hinaus. Fototouren haben wir auch im Programm. Und Yoga im Watt. Bei manchen Wanderungen gehen wir auch auf die andere Seite des Deiches, in die Marsch. Die Basis bei allen Angeboten ist: Wir sind draußen unterwegs. In der Natur. Und die Small Five spielen natürlich immer eine Rolle.

Seit 15 Jahren führt Joke Gruppen durch das Wattenmeer, auch viele Jugendliche, auch viele Kinder. Manchmal werde er von Erwachsenen angesprochen, die als Kinder mit ihm unterwegs waren und sich daran erinnern, wie sie mit ihm in einem großen Kreis gestanden haben. Seither haben die eine Verbindung zum Wattenmeer, sagt er: Das sei doch wunderbar.

Die Small Five? Wie die Big Five bei einer Safari in Afrika?

Genau. Die Wattschnecke, die Herzmuschel, die Strandkrabbe, die Sandgarnele – und der Wattwurm. Der ist ganz wichtig. Für viele Leute scheint der Wattwurm so etwas zu sein wie der Löwe auf einer Safari. Der gehört unbedingt dazu. Der König des Watts! Nicht die Kegelrobbe – nee: der Wattwurm! Für manche ist das Watt abgehakt, wenn sie den gesehen haben. Es gibt aber auch Menschen, die das Watt tief berührt.

Das kann ich mir gut vorstellen. Wann passiert so etwas denn?

Wenn ich mit ihnen im Watt bin, lasse ich sie einen Kreis um mich herum bilden. Und dann sage ich: Macht doch einfach alle mal einen Schritt zurück. Und dann noch einen. Der Kreis wird also immer größer. Irgendwann haben wir einen Durchmesser von hundert Metern, und jeder steht für sich allein. Dann sage ich ihnen: Dreht euch einfach mal um. Und schaut hinaus. Dann stehen die Leute vier Kilometer von der Küste entfernt im Wattenmeer und hören nichts mehr bis auf das Singen der Vögel und das Rauschen des Windes.

Und dann?

Lasse ich sie einfach stehen. Ein paar Minuten lang sind die dann ganz bei sich. Und dann löse ich die Situation auf mit einem: „Das ist das Weltnaturerbe Wattenmeer, in dem wir stehen.“ Sonst nichts. Oft fangen die Leute dann zu applaudieren an. Dann weiß ich, dass das Watt sie berührt hat.

Für Kinder aus der Stadt muss das doch sowieso toll sein hier draußen.

Absolut. Wir haben ja viele Klassenfahrten hier. Da sind Kinder dabei, die setzen zum ersten Mal in ihrem Leben ihren Fuß barfuß in eine Wiese. Oder in den Sand. Die kommen da gar nicht mit klar, die sind völlig überdreht und wissen gar nicht, was da gerade mit ihnen passiert. Da kommen Mädels mit aufgeklebten Fingernägeln und irgendwelche Fake-Handtäschchen, die plötzlich nur noch rein in den Schlick wollen – die lieben das neu entdeckte Gefühl, draußen in den Elementen zu sein. Die sind plötzlich sensibilisiert für die Natur. Und denken in Zukunft vielleicht ja darüber nach, wie sie mit ihr umgehen.

Das klingt, als erreichten Sie mit Ihren Wanderungen mehr als so mancher Politiker …

Diese Erlebnisse haben mich irgendwann auch weggebracht von meiner aktiven politischen Arbeit. Hab ich ja gemacht. Auf kommunaler Ebene. Da diskutiert man dann endlos über dies und das, und am Ende wird es dann doch nicht so umgesetzt, wie man es sich vorgestellt hat. Irgendwann habe ich für mich entschieden: Ich will lieber direkt wirken. Weil ich glaube, dass ich mehr Menschen für diesen einzigartigen Lebensraum Wattenmeer sensibilisieren kann, wenn ich mit ihnen in dieser Landschaft unterwegs bin.

Wattwanderzentrum Ostfriesland